Posts mit dem Label Kreativtreffen werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Kreativtreffen werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 10. März 2022

Ice Dyeing – ein Workshop mit Jude Kingshott

Antriebslos? Gelangweilt? Von dunklen Gedanken zerfressen? - Da hab ich was für euch: Life-Workshops!!

Das Wichtigste in miesen Zeiten ist doch Abwechslung und Gemeinschaft! Raus aus der Bude, an die frische Luft und mit (oder ohne) Abstand unter Menschen. Neue Ideen und Ziele fegen das Hirn frei und befreien aus der Lethargie! Wirf die Pillen weg, überwinde den inneren Schweinehund und mach dich auf die Socken! Jeder ist für sich selber verantwortlich, also tu was Gutes für dich. Triff Gleichgesinnte, lerne Neues und gönn dir mal was.

Ende Februar war Jude Kingshott wieder zu Gast bei Brunhilde im Textilstudio Speyer. Nachdem ich im letzten Jahr kurzfristig wegen der Seuche mit dem großen „C“ eine Absage kassieren musste, habe ich nun gleich zwei Workshops nacheinander mit ihr gebucht: Stitched Shibori und Ice Dyeing. Da ich mit dem Sticken nicht so flott bin, berichte ich erst einmal über den zweiten Kurs.

Ice Dyeing ist eine ausgeklügelte Technik, wasserfestes Papier und Stoff mit Hilfe von Eiswürfeln (!) und Farbpigmenten in kleine Träume zu verwandeln. Wer ist nur auf diese Idee gekommen? Naturfasern in weiß oder bunt werden nach Shibori-Art gefaltet und unter einem Häufchen Eiswürfel begraben. Darüber verteilt man neben Soda auch das hochpigmentierte Procion Pulver in ausgewählten Farben. Durch das Schmelzen der Eiswürfel entstehen einerseits Mischfarben, andererseits spalten sich Zwischentöne auf, sodass die Ergebnisse für den Laien nur schwer vorhersehbar sind und selbst der Profi immer wieder Überraschungen erlebt.






Nach der Eisschmelze zeigt sich das erste Grün.



Mein erster Färbedurchgang sollte ein knalliges Grün auf Baumwollstoff und Wenzhou Papier hervorbringen. Dank Judes Kompositionsvorschläge aus Lemon, Teal und Schwarz zeichnete sich nach der Eisschmelze über Nacht tatsächlich ein giftiger Schleier ab. Die eng verschnürten Päckchen wurden abgespült und ausgewickelt. Es entfaltete sich eine prächtig leuchtende Farbpalette in so vielen harmonischen Grün-Abstufungen, wie ich sie nie hätte selber anmischen können. Mit „Ohs“ und „Ahs“ der zuschauenden Teilnehmer wurde nicht gespart. Jude und Brunhilde waren am Ende des Kurses selber erstaunt, wie gut die Ergebnisse aller geworden sind.
1. Tag - Mandala aus Wenzhou Papier


Spezialpapier von Jude aus England

Baumwollsatin



Beim zweiten Durchgang machten wir Versuche mit Seide und Organdy. Zusammen mit Baumwollsatin und Papier verschnürten wir immer zwei Materialien zu einem Päckchen, wahlweise zusammengehalten von Metallklammern oder Gummiringen, was wiederum Einfluss auf die Ergebnisse hat. Deutlich experimentierfreudiger geworden färbte ich nun mit Mustard, Stormy Sky und Silk Black und mischte ein paar meiner vorgefärbten Stoffe unter die weißen. Kaum zu glauben, welche Vielfalt an Ergebnissen diesmal in nur einem Färbevorgang zustande kam.

2. Tag – ein Bündel aus Baumwollsatin und Wenzhou Papier


Wenzhou Papier


Vorgefärbter Stoff in Teal

Vorgefärbter Stoff in Gelb





Das Angebot, einen dritten Eimer gefüllt und tropfend im Zug mit nach Hause zu nehmen, nahm ich nur zu gerne an. Über Nacht arbeiteten sich Magenta, Silk Black und Gray durch das Eis. Die Farben reagierten untereinander, vermischten sich und spalteten sich auf. Was sich daraus entwickelte, hat mich total begeistert. So könnte ich immer weiter machen. Nur zerschneiden und vernähen möchte ich die kostbaren Einzelstücke nicht. Sie kommen auf Kleiderbügeln in den Schrank und werden immer mal wieder gestreichelt.

3. Tag – Schon kleinste Unterschiede in der Faltung geben der Seide ein völlig anderes Muster


Wenzhou Papier




Mandala aus Wenzhou Papier

Organdy (oben) und Papier (unten) zusammen in einem Bündel

Seide (oben) und Papier (unten) als doppeltes Mandala zusammen in einem Bündel




Vorgefärbter Stoff in Orange


Vorgefärbter Stoff in Ecru



Na, immer noch im Jammertal der Trostlosigkeit? Jeromin Werkladen hat noch Termine frei und befreit garantiert aus der Schockstarre! (Nicht ohne Nebenwirkungen. Vereinzelt wurden Suchterscheinungen beobachtet.)


Liebe Grüße!


PS.: Übrigens war Susanne auch unter den Teilnehmerinnen. Hier könnt ihr lesen, was sie über den Workshop berichtet.


Montag, 16. August 2021

Sylt von seiner besten Seite

Schon vor über 2 Jahren hatte ich mich zum diesjährigen Workshop auf Sylt mit Birgit Nass und Mari Emily Bohley angemeldet. Corona war damals nichts anderes als eine Biermarke und was gibt es besseres als einen Spitzenklasse-Workshop auf meiner Lieblingsinsel?

Ich hatte Glück! Wir waren die erste Gruppe, die sich nach dem langen Lockdown ins Indoor-Beisammensein stürzen durfte. Meine Stimmung war freudig erwartungsvoll bis hektisch aufgedreht, verwandelte sich im Laufe der 6 Tage dann aber immer mehr in Ausgeglichenheit mit „tief einatmen“ und bewusst genießen!

Die Akademie am Meer liegt einsam im Klappholttal

In der Mittagspause Natur genießen



Ich bewohnte ein nettes, sinnvoll eingerichtetes Zimmer am äußersten Ende des Klappholttals, dem „Nordpol“, mit einer wunderbaren Sicht in die endlose Dünenlandschaft. Besser hätte es nicht kommen können. Ab und an fuhren in etwas Entfernung Radfahrer am Weg vorbei, ansonsten hatten wir Bewohner der Akademie am Meer Ruhe vor der Außenwelt. An nur wenigen Stellen gab es rudimentären Internet-Empfang. Niemand hat einen Fernseher vermisst. Die Welt da draußen konnte uns mal …

Mein dort entstandenes Logbuch, Leporello, Jalousiebuch und die Bibliothek habe ich bereits bei Instagram gezeigt, aber das stellt mich nicht richtig zufrieden, darum liefere ich nun den Blogbeitrag nach.

Jalousiebuch mit Schwemmholz und Hühnergott


Die Bibliothek birgt Fundstücke vom Strand


Ins Logbuch wurde eine raffiniert gefaltete Taschenlage mit eingebaut


Leporello voller Erinnerungen


Ohne Zeitdruck und ohne Feierabend konnten wir an unseren Projekten arbeiten, was die meisten auch bis in die späten Abendstunden ausnutzten. Birgit und Mari erklärten Arbeitsschritte und Techniken, was wir daraus machen wollten war uns überlassen. Anschauungsobjekte und Inspirationen gab es reichlich. Einmal fuhr Birgit in den Baumarkt und kam bis über beide Backen strahlend mit einer Tasche voll Handsägen, Holzleim, Schraubstock, Feilen und Schmirgelpapier zurück. Was an Material dann immer noch nicht vorrätig war, fanden wir am Strand: Muscheln, Treibholz, Federn, Steine … Auch der Strand gehörte uns – jetzt, in der Hauptsaison – denn der Weg zum nächste Touristen-Anlaufpunkt war weit.

Das Küchenpersonal sorgte für einfaches, aber sehr leckeres Essen. Nach dem Frühstück sammelten wir uns draußen im Kreis und besprachen, was tagsüber anstand und zu den Kernzeiten vermittelt werden sollte. Manch eine drahtige Teilnehmerin kam zu der Zeit schon vom Schwimmen und berichtete über neue Funde, die die Flut über Nacht angeschwemmt hatte. Ich machte meine Expeditionen vorzugsweise nach dem Mittagessen: Wattwanderung, Vogelkoje, Wanderdüne, Rundwege durch Dünen und Strand. Nie kam ich mit leeren Händen zurück und so füllte sich der Tauschtisch täglich mit neuen Schätzen. Die Zeit verging viel zu schnell.

Eine Wattwanderung bringt Kribbeln in die Füße und Nahrung fürs Gehirn
Algen ankern gerne auf Austern und liegen platt im Watt, bis die Flut kommt
In weiser Voraussicht hatte ich im Anschluss an den Kurs noch für ein paar Tage ein Zimmer in Hörnum gebucht. Seit Langem war ich neugierig auf Entdeckungen an der Südspitze, wo Wattenmeer und Nordsee ineinander übergehen, auf die Landzunge bei Ebbe und eine Schiffstour mit dem Speedboot nach Amrum.

Strandleben in Hörnum

Schneckengehäuse mit Seepocken

Austernfischer und Seemöwen

Bei Ebbe





Den breiten, feuchten Saum des Meeres bei Ebbe zu durchstreifen ist ein erstaunliches Erlebnis. Man findet nicht nur Herzmuscheln, Miesmuscheln, angebackene Seepocken, viele lange Schwertmuscheln (wir haben sie früher Rasiermesser genannt), verschiedene Austernarten, kleine und große Schnecken, Algen und Tang, sondern auch millimeterkleine Seesterne und etliche  undefinierbare Lebensformen. Leider war ich zu feige, die beiden Leute mit Gummistiefeln, Eimer und Schaufel zu fragen, wonach sie bei ihrer systematischen Grabung im Sandstrand suchen. Gibt es hier Delikatessen, die nur der erfahrene Spezialist zu finden imstande ist?

Tetrapoden sollten ursprünglich dem Küstenschutz dienen, haben sich aber nicht bewährt.





Leider war der Leuchtturm von Hörnum geschlossen, aber das ist ein guter Grund, irgendwann noch einmal hinzufahren.

PS.: Dies ist keine Werbung für Sylt, denn die Insel ist sowieso meist überfüllt. Dies ist auch keine Werbung für Birgit Nass und Mari Bohley, denn die Workshops der beiden sind oft schon weit, weit vor Stattfinden ausgebucht (es sei denn, jemand sagt kurzfristig ab. TIPP: Newsletter bestellen). Dies ist allerhöchstens ein bisschen Angeberei, weil alles soooooo schön war.



Mittwoch, 3. Februar 2021

Ein Blick ist zu wenig – Einblick in den Druckladen des Gutenberg Museums Mainz

Alte Druckereien ziehen mich magisch an. Einmal gegautscht (nach Abschluss meiner Ausbildung traditionsgemäß zum Jünger Gutenbergs getauft) und für immer gezeichnet, spüre ich eine tiefe Verbundenheit mit Druckerfarbe, Rakel, Bleisatz, Holzbuchstaben und dem ganzen Drum und Dran.

Im Gutenbergmuseum Mainz war ich schon so einige Male und habe davon berichtet. Der angeschlossene Druckladen, eine museumspädagogische Werkstatt, hat mich natürlich ganz besonders fasziniert. Seit ein paar Jahren lauerte ich bereits auf den richtigen Kurs zur richtigen Zeit und kurz vor Lockdown Nummero Zwo schlug meine Stunde (öhm, mein Wochenende).

„Nur Makulatur? Die unfreiwillige Schönheit des Scheiterns“ klang verlockend. Es sollte um kreatives Schreiben und Drucken gehen. Mir ging es vor allem darum, all die schönen Schränke voller Buchstaben, die Farben und die Druckmaschinen benutzen zu dürfen.






Fast täglich stolpern wir über Druckfehler, Versprecher, Verleser und digitale Wort-Fehlkorrekturen. Im Druckladen haben wir solche Stolpersteine bei Rundumtexten, Gedankenranken und Schreibimpulsen provoziert. Ein Beispiel:

Wir schreiben intuitiv einen kurzen Text mit der Überschrift „Am Tag, an dem das __ (Buchstabe eigener Wahl einsetzen) verschwand.“ Das __ sollte dann natürlich in diesem Text ausgelassen werden. Was ich vorher nicht ahnte war, dass wir die Geschichte dann auch vorlesen mussten. Dabei haben wir uns natürlich fast die Zunge abgebrochen und es gab eine Menge Gelächter.




Anderes Beispiel: Jeder schreibt auf sein leeres Blatt ein Wort, das den Beginn einer Geschichte darstellt. Dann stehen alle auf, gehen zum linken Nachbarn und schreiben auf dessen Blatt 2 Worte, weiter nach links auf das Blatt des nächsten kommen 3 Worte, bis am Ende jeder wieder auf seinem Platz ist und eine Geschichte vor sich hat, die natürlich völlig anders verlaufen ist als geplant. Geistiger Dünnpfiff, aber lustig.

Für mich waren diese literarischen Spielereien völlig neu, spannend und verblüffend. Aber so interessant der Einstieg in diese für mich völlig neue Welt der Literaten auch war, ich freute mich immer, wenn es ans Drucken ging. Praktische Arbeit ist eher mein Element als schöngeistiges Fabulieren.

Wir suchten uns aus unseren Rundum-Texten ein Wort aus, um es mit Holzlettern und Abstandskeilen auf der „Nudel“ (Zylinderandruckpresse) zu drucken. Ich walzte auf dem Lithostein die Farbe aus, bis es schmatzte, färbte meine Lettern mit Bedacht, legte ein Blatt auf und zog den Wagen darüber. Jippie!! Aus UNART wurde UNRAT und UNARTig und leider wurde ich ausgebremst, als ich gerade so richtig in Fahrt kam.





Das Programm von Gisela und Gundela hätte für 1 Woche gereicht, die Zeit rannte dahin. Wir sollten einen Motivationssatz finden, den wir so abkürzen, dass andere ihn nicht auf Anhieb erfassen können. So etwas wie “VO NI KO NI“, was der geübte Querdenker gleich als „Von nichts kommt nichts“ identifiziert. Leider war mein Hirn wie leergefegt und es gelang mir nicht, etwas Zufriedenstellendes zu ersinnen. Gundela meinte später: „Der Text ist der Chef“ und erklärte einleuchtend, warum das so ist. Daraus ergab sich die Grundlage für mein nächstes Blatt.


Wir haben an diesem Wochenende noch eine ganze Menge anderer Versuche unternommen, kreativ zu scheitern. Viel Mühe musste ich mir nicht geben, in die aufgestellten Fettnäpfchen zu fallen. Die Monotypie nach Art des Glasscheibendrucks (siehe Adventpostkunst 2020) haben wir auf Lithosteinen umgesetzt. Hervorragend! Nur ging das mit der Spiegelschrift gleich beim ersten Versuch gewaltig in die Hose. Auf meinem Papier stand stolz in großen Buchstaben zu lesen „Ebelgarb“.

Jou! War lustig. Und seltsam, der einzige Nicht-Poeten im Kurs zu sein, der das Ziel erreicht hat, sich ordentlich zu verhaspeln.